Interview mit Matthias Strobel: Digitalisierung der Musikbranche

Artikel bewerten
(3 Stimmen)

Inhalt

Stichwort Media-Sharing in den Sozialen Netzwerken: Können die Vorstellungen der Konsumenten bzw. Kunden mit denen der Künstler und Produzenten in einer digitalisierten Welt überhaupt zusammenkommen?

Auf jeden Fall. Nie waren die Voraussetzungen für die Kommunikation zwischen diesen beiden Seiten besser als heutzutage. Der Konsument kann zu jeder Zeit an jedem Ort Musik entdecken und konsumieren, umfangreiche Informationen zu entsprechenden Künstler*innen finden und durch die Sozialen Netzwerke unmittelbar am Leben der Musiker*innen teilhaben. Gleichzeitig können Künstler*innen ihre Musik ohne jeglichen Mittelsmann einem riesigen Publikum zur Verfügung stellen und unmittelbar mit ihren Fans interagieren.

Die gefühlte Distanz zwischen Künstler und Fan war nie geringer. Durch die Analyse von verfügbaren Daten und Informationen über Fans, deren Verhalten und (Hör)gewohnheiten haben Künstler*innen und deren Management die Möglichkeiten, Marketingstrategien und z.B. die Tourplanung anzupassen und zu optimieren. Bei der Lizenzierung und Wertschöpfung von Musik, die in Sozialen Netzwerken verwendet wird, gibt es allerdings noch großen Aufholbedarf.

 

Gibt es durch digitale Transformationsprozesse möglicherweise Synergien mit anderen Branchen, die von den digitalen und technologischen Entwicklungen der Musikindustrie profitieren können? Gibt es z. B. Schnittstellen zum Gesundheitswesen?

Durch den einfachen Zugang zu Musik, profitieren alle Branchen, in denen Musik schon immer eine Rolle gespielt hat. Die enorme Bedeutung des Nutzer- bzw. Fanverhaltens für Künstler und Labels hat dazu beigetragen, dass die Musikindustrie sich sehr früh mit der Aufbereitung von großen Datenmengen auseinandergesetzt hat. Aus diesen Verfahren und den Möglichkeiten, die mit der Analyse von Konsumentenverhalten einhergehen, können nun auch andere, vertikale Industrien lernen und Nutzen ziehen, um Mehrwerte zu generieren. Produkte und Dienstleistungen können dadurch zielgruppengerechter und mit weniger Streuverlust vermarktet werden.

Zwischen der Musikbranche und dem Gesundheitswesen gibt es eine große Schnittmenge. Dass Musik eine therapeutische Wirkung hat, ist durch verschiedenste Studien bereits bewiesen worden. Oft war es Menschen mit Behinderungen allerdings nicht vergönnt, sich aufgrund ihrer körperlichen oder psychischen Einschränkungen musikalisch auszudrücken. Auch hier haben technologische Innovationen den Zugang zu Musik ermöglicht.
Besonders in den Bereichen Sensorik, Robotik oder Mensch-Maschine Interaktion konnten durch Prototypen für körperlich eingeschränkte Menschen Best-Practise-Beispiele im Kontext von Musik geschaffen werden, auf deren Grundlage Prothesen und digitale Anwendungen weiterentwickelt wurden. Zweifelsohne ein Gewinn für das Gesundheitswesen und vor allem für die Betroffenen.

Auch die medizinische Forschung profitiert auf verschiedenen Ebenen von einer digitalisierten Musikbranche. Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns und z.B. des menschlichen Ohres sind aus der Auseinandersetzung von Wissenschaftlern mit Musik erwachsen und maßgeblich an der Entwicklung von neuen Behandlungs- und Therapieansätzen im Bereich Demenz, ADHS oder Parkinson beteiligt.

So sind beispielsweise Erkenntnisse über Frequenzen, die das menschliche Ohr wahrnehmen kann, wie diese durch Algorithmen reproduziert werden können und welche Prozesse im Gehirn in Gang gesetzt werden können, Unternehmen der Musiktechnologie-Branche zu verdanken. Zwar war deren vorrangiges Ziel, dem Konsumenten ein auf sein Ohr abgestimmtes, personalisiertes Hörerlebnis zu bieten und den Wert des Klangs von Musik wieder ins Bewusstsein zu rufen, aber letztendlich haben diese Erfahrungen auch Forschern dazu verholfen, das menschliche Ohr und Gehirn besser zu verstehen.

Mit dem Einzug von Virtual Reality und der Erforschung von Klang im dreidimensionalen Raum eröffnen sich nun wieder neue Möglichkeiten, um Anwendungen für andere Industrien wie der Automobil-, Werbe- und Veranstaltungsbranche, dem Tourismus oder der Gesundheitswirtschaft zu entwickeln. Was momentan für Künstler eine neue Möglichkeit des musikalischen Ausdrucks ist, kann später eventuell blinden Menschen dazu verhelfen, sich besser zu orientieren.


Matthias Strobel

Vita & Lebenslauf

Matthias Strobel ist Brückenbauer zwischen (Kreativ)industrie und Digitalwirtschaft.

Nach seiner Ausbildung als Kaufmann für audiovisuelle Medien beim ZDF und seinem Studium der Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin, gründete er 2011 das international mehrfach ausgezeichneten Musiktechnologie Startup „Nagual Sounds“.

Im Sommer 2015 verließ er dort das operative Geschäft und startete „Friedrichshain Hilft e.V.“, um sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Daraufhin wurde er mit der Aufgabe betraut, eine Flüchtlingsunterkunft aufzubauen, die er hauptberuflich bis April 2016 leitete. Im Anschluss setzte Matthias Strobel seine Arbeit mit Geflüchteten fort, gründete das Social-Startup „ZwischenWerk gUG“ und startete das Projekt „Creative Coding School“, um sozial benachteiligten Menschen Fähigkeiten in Zukunftstechnologien wie Robotik und IoT beizubringen.

Seine Leidenschaft für Musik und die enormen Möglichkeiten der Digitalisierung und neuer Technologien führten ihn im Frühjahr 2016 zum Music Tech Fest, für das als PR & Partnership Manager tätig war. Neben diesen Tätigkeiten arbeitete Matthias Strobel er als freiberuflicher Berater für Start-ups in der Kreativwirtschaft und kuratiert interdisziplinäre Kunst- und Medienprojekte.

Seit Juli 2017 ist er Präsident von „MusicTech Germany“, dem Bundesverband Musiktechnologie Deutschland e.V. und leitet seit Februar 2018 WickedWork, eine Agentur für Innovations-Management und Kreativtechnologie-Beratung. Matthias Strobel ist Keynote Speaker für Kreativtechnologie und Digitalisierung, und hat MAGNA, eine Initiative zur Vernetzung und Förderung von Frauen in Technologieberufen der Kreativwirtschaft, gegründet.

Beruflicher Werdegang:

  • 02/2018 – heute: Gründer und Geschäftsführer WickedWork UG
  • 05/2017 – heute: Gründer und Präsident Bundesverband Musiktechnologie Deutschland e.V.
  • 06/2016 – heute: Geschäftsführer ZwischenWerk gUG
  • 04/2016 – 12/2017: PR & Partnership Manager MusicTech Fest
  • 02/2016 – 05/2017: Co-founder Creative Coding School
  • 09/2016 - 11/2016: Social Media Manager AIOTI
  • 11/2015 - 03/2016: Leiter Flüchtlingsunterkunft Humanistischer Verband Deutschland
  • 10/2012 - 11/2015: Gründer und Chief Marketing Officer Nagual Sounds
  • 03/2007 - 09/2008: Redaktionsassistent ZDF
  • 09/2002 - 09/2008: Eventkoorinator ZDFtivi
  • 01/2004 - 12/2005: Redakteur vom Dienst ZDF

Diese Webseite verwendet Cookies, damit Sie als Besucher verschiedene Funktionen nutzen können und um die Nutzung der Webseite zu vereinfachen. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.