Im Vergleich zu anderen Branchen: Wie weit ist die Digitalisierung der Musikindustrie vorangeschritten und wie wirkt sie sich aus?
Die Musikindustrie ist mit Sicherheit eine der bereits am stärksten – wenn auch nicht immer aus eigener Kraft - digitalisierten Branchen. Vertrieb, Vermarktung und Konsum von Musik sind mittlerweile komplett digitalisiert, wenn man mal vom Geschäft mit Vinyl, CDs und Kassetten absieht. Fast 2/3 aller weltweiten Umsätze werden heute mit digital vertriebener Musik gemacht. Die dafür notwendigen Abläufe sind effektiver und kostengünstiger als zu analogen Zeiten. Prozesse können mittlerweile zum Teil automatisiert und die dadurch freigesetzten Ressourcen genutzt werden, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und sich z. B. auf die Förderung und Entwicklung von Künstler*innen und den Gewinn neuen Publikums zu konzentrieren.
Technologien wie z. B. Big Data, die die immer exaktere Datenanalyse z. B. zum Konsumentenverhalten ermöglichen, bieten enorme Vorteile für alle Beteiligten und eröffnen nicht nur völlig neue Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Künstler und Fan, sondern eben auch das Erschließen neuer Wertschöpfungsprozesse.
Ich bin weiterhin optimistisch, dass mit Hilfe von dezentralisierten Technologien wie Blockchain auch eine der komplexesten Herausforderungen der Musikindustrie – die transparente, system-übergreifende und zuverlässige Dokumentation von Urheber- und Nutzungsrechten – in naher Zukunft gelöst werden kann. Nicht zuletzt die historisch gewachsene administrative Infrastruktur des Rechtemanagements schränkte bislang die Agilität der Akteure der Musikindustrie ein, sich an technologische Innovationen und im steten Wandel befindliches Nutzerverhalten sowie sich ändernde kulturpolitische Regularien anzupassen. Dabei war es nie wichtiger, eine faire und transparente Verteilung von Einnahmen aus der Rechteverwertung kreativer Inhalte zu gewährleisten: plattformübergreifend, zeitnah und für alle Beteiligten unmittelbar nachvollziehbar.
Die sogenannte Wertschöpfungslücke („Value Gap“) zu schließen, setzt jedoch eine gemeinsame Willensbekundung und Agenda aller beteiligten Akteure der Musikwirtschaft voraus. Ein langer und – nicht zuletzt aufgrund der Komplexität von dezentralisierten Technologien und Sensibilität der im Zentrum stehenden Daten – nicht einfacher Weg, der von Aufklärungsarbeit geprägt sein wird.
Aus Perspektive der Musiker*innen wird die Musikbranche meiner Meinung nach allerdings wohl ewig eine, ich nenne es mal, „Hybrid-Branche“ bleiben. Künstler*innen geht es bei der Kreation von Musik in erster Linie darum, sich musikalisch-kreativ so auszudrücken, wie es dem Verständnis ihrer Kunst am besten entspricht. Ob dabei digitale oder traditionelle Instrumente zum Einsatz kommen, ist für die Künstler*innen bzw. Musiker*innen nicht entscheidend. Ganz im Gegenteil: Neue digitale Tools haben hier einen entscheidenden Beitrag zur musikalischen Vielfalt und zur Entstehung neuer Genres beigetragen. Aus künstlerischer Sicht sind die spannendsten Momente in der Musikgeschichte genau die, in denen traditionelle Instrumente auf neue Technologien treffen und gemeinsam zum Einsatz kommen.