Interview mit Matthias Strobel: Digitalisierung der Musikbranche

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Inhalt

Herr Strobel, Sie sind Gründer und Vorstandsmitglied des weltweit ersten Musiktechnologie-Verbandes. Warum braucht es einen Verband für Digitales und Technologie in der Musikbranche?

Die Gründung eines Verbandes für Musiktechnologie war längst überfällig. Musik und Technologie sind seit jeher stark miteinander verbunden und es waren schon immer technologische Innovationen, die die Musikbranche maßgeblich verändert haben. Durch das Internet und den immer einfacheren Zugang zu neuen Technologien sehen wir nun allerdings ein exponentielles Wachstum von Innovationen, die Musik auf eine ganz neue Art und Weise stattfinden lassen. Diese Produkte und Dienstleistungen werden meist nicht aus der traditionellen Musikindustrie heraus entwickelt, sondern entstehen durch den Erfindergeist und aus der Leidenschaft von Entrepreneuren und Visionären aus ganz anderen Bereichen. Diese waren bislang lediglich in losen Netzwerken organisiert und hatten dadurch nicht wirklich eine gemeinsame, öffentliche Stimme.

Mit MusicTech Germany, dem Bundesverband Musiktechnologie, vereinen wir diese kreativen Köpfe und Unternehmen unter einem Dach und ermöglichen damit einen regen und viel direkteren Austausch untereinander. Dadurch können Synergien erkannt und effektiv genutzt werden, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die den heutigen Bedürfnissen der Musikbranche gerecht werden und die speziellen Herausforderungen adressieren. „Innovation durch Kollaboration“ steht hierbei im Zentrum der Arbeit des Verbandes.
Unsere Mitglieder sind nicht die klassischen Akteure der Musikindustrie, für die es ja bereits die verschiedensten Interessengemeinschaften gibt, sondern in erster Linie Technologieanbieter, die überhaupt erst die Voraussetzungen und neue Möglichkeiten für Musik im digitalen Zeitalter schaffen. Gleichzeitig bietet sich der Verband als zentraler Ansprechpartner für die Musikwirtschaft an, damit Trends frühzeitig erkannt werden können und sich alle Beteiligten auf die kommenden Veränderungen einstellen können oder – im besten Fall – diese mitgestalten. Wir wollen vermitteln, aufklären und informieren, um alle Beteiligten dabei zu unterstützen, die Chancen und Herausforderungen, die mit dem digitalen Wandel einhergehen, zu verstehen und bestmöglich zu nutzen.
Dieser Strukturwandel ist eine große Chance, traditionelle Prozesse zu überdenken und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Deswegen ist es uns ein großes Anliegen, Brücken zwischen Technologieanbietern und der Musikindustrie, Entwicklern und Künstlern zu bauen.

Der dritte Pfeiler, auf dem MusicTech Germany steht, ist die Beratung von Politik und Förderinstitutionen bei der Gestaltung von neuen öffentlichen Förderstrukturen. Hier gibt es enormen Aufholbedarf im Vergleich zu anderen Ländern wie Österreich, Frankreich oder Schweden. Bisher gibt es kein einziges Förderinstrument in Deutschland, das die Entwicklung von Innovationen an der Schnittstelle von Musik und Technologie unterstützt. Das führt dazu, dass potentielle Gründer*innen versuchen, sich auf Förderungen im Kulturbereich zu bewerben, dafür der Fokus aber zu technikzentriert ist oder Förderangebote im Technologiesektor wahrnehmen möchten, dort aber als zu künstlerisch abgelehnt werden. Daraus resultiert allzu häufig, dass kreative Köpfe in andere Länder abwandern oder den Schritt zur Unternehmensgründung erst gar nicht gehen. So gut wie alle bahnbrechenden Erfindungen, die die Musikindustrie im letzten Jahrhundert verändert haben, kamen aus Deutschland. Sei es das Grammophon von Emil Berliner, das Mikrophon von Fritz Pfleumer, oder das mp3-Format, das im Fraunhofer Institut entwickelt wurde. Damit Deutschland zukünftig nicht ein enormes Potential an Erfindergeist und Wirtschaftskraft verlorengeht, setzen wir uns dafür ein, dass Musikwirtschaft und Digitalwirtschaft nicht mehr isoliert betrachtet werden. Es ist uns ein großes Anliegen, auf allen Ebenen Aufklärungsarbeit zu leisten, um siloübergreifende Kooperationen und Förderprogramme zu schaffen, die auch zukünftig Innovationen „Made in Germany“ ermöglichen.

Da wir der erste Verband dieser Art weltweit sind, gibt es durchaus noch einige dicke Bretter zu bohren, aber sowohl das positive Feedback von Musiktechnologieunternehmen, das Interesse von Akteuren der Musikwirtschaft, als auch die Bereitschaft der Politik, sich stärker für Innovationen im Bereich Digitalisierung und Technologie in der Musikbranche einzusetzen, bestätigen und motivieren uns in unserer täglichen, hauptberuflich wenn auch bislang ehrenamtlichen Arbeit.


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Matthias Strobel

Vita & Lebenslauf

Matthias Strobel ist Brückenbauer zwischen (Kreativ)industrie und Digitalwirtschaft.

Nach seiner Ausbildung als Kaufmann für audiovisuelle Medien beim ZDF und seinem Studium der Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin, gründete er 2011 das international mehrfach ausgezeichneten Musiktechnologie Startup „Nagual Sounds“.

Im Sommer 2015 verließ er dort das operative Geschäft und startete „Friedrichshain Hilft e.V.“, um sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Daraufhin wurde er mit der Aufgabe betraut, eine Flüchtlingsunterkunft aufzubauen, die er hauptberuflich bis April 2016 leitete. Im Anschluss setzte Matthias Strobel seine Arbeit mit Geflüchteten fort, gründete das Social-Startup „ZwischenWerk gUG“ und startete das Projekt „Creative Coding School“, um sozial benachteiligten Menschen Fähigkeiten in Zukunftstechnologien wie Robotik und IoT beizubringen.

Seine Leidenschaft für Musik und die enormen Möglichkeiten der Digitalisierung und neuer Technologien führten ihn im Frühjahr 2016 zum Music Tech Fest, für das als PR & Partnership Manager tätig war. Neben diesen Tätigkeiten arbeitete Matthias Strobel er als freiberuflicher Berater für Start-ups in der Kreativwirtschaft und kuratiert interdisziplinäre Kunst- und Medienprojekte.

Seit Juli 2017 ist er Präsident von „MusicTech Germany“, dem Bundesverband Musiktechnologie Deutschland e.V. und leitet seit Februar 2018 WickedWork, eine Agentur für Innovations-Management und Kreativtechnologie-Beratung. Matthias Strobel ist Keynote Speaker für Kreativtechnologie und Digitalisierung, und hat MAGNA, eine Initiative zur Vernetzung und Förderung von Frauen in Technologieberufen der Kreativwirtschaft, gegründet.

Beruflicher Werdegang:

  • 02/2018 – heute: Gründer und Geschäftsführer WickedWork UG
  • 05/2017 – heute: Gründer und Präsident Bundesverband Musiktechnologie Deutschland e.V.
  • 06/2016 – heute: Geschäftsführer ZwischenWerk gUG
  • 04/2016 – 12/2017: PR & Partnership Manager MusicTech Fest
  • 02/2016 – 05/2017: Co-founder Creative Coding School
  • 09/2016 - 11/2016: Social Media Manager AIOTI
  • 11/2015 - 03/2016: Leiter Flüchtlingsunterkunft Humanistischer Verband Deutschland
  • 10/2012 - 11/2015: Gründer und Chief Marketing Officer Nagual Sounds
  • 03/2007 - 09/2008: Redaktionsassistent ZDF
  • 09/2002 - 09/2008: Eventkoorinator ZDFtivi
  • 01/2004 - 12/2005: Redakteur vom Dienst ZDF

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